TADEUSZ WOJNARSKI - POLNISCHE DIASPORA IN DER SCHWEIZ:
DER KAMPF MIT ANDEREN WAFFEN

Tadeusz Wojnarski und das Polenmuseum in Rapperswil

Autorin: Lucia Morkowski, Dübendorf

Lucia Morkowski

Vernissage der zweiten Ausstellung von Tadeusz Wojnarski im Polenmuseum am 26. August 1992 – in der ersten Gästereihe: Janusz Morkowski, Ernst & Anita Baumann, Ewa Wojnarska, der neue Botschafter der Republik Polen Marek Latyński mit Ehefrau Teresa geb. Potulick, Christina Scheu

Quelle

Polenmuseum in Rapperswil
1973 – 2005
Erinnerungen von Lucia Morkowski
Eigenverlag Morkowski,
Druckerei: Schnitzerdruck Print und Media GmbH, D-87616 Marktoberdorf,
Dübendorf, 16.8.2008
ISBN: 978-3-9800067-9-8

Ein lieber, treuer Freund war uns der Kunstmaler Tadeusz Wojnarski aus Zürich. Tadeusz wurde 1939 als Gymnasiast nach Sibirien verschleppt. Dort durfte er sich zur polnischen Armee von General Anders melden. Über Persien kam er mit der polnischen Armee nach Palästina, wo er zum Offizier promoviert wurde. Als Artillerieoffizier kam er mit dem 2. Polnischen Armeechor nach Italien (1944), wo er am Sturm auf die monatelang umkämpfte Abtei Monte Cassino teilnahm und dafür das Tapferkeitskreuz erhielt.1

Er absolvierte ein Studium an der Kunstakademie in Madrid und wurde Kunstmaler. Nach Übersiedlung mit Frau und 3 Kindern nach Zürich wurde er Zeichenlehrer an Zürcher Mittelschulen.

1973 begann er mit der Herausgabe der polnischer Monatszeitschrift in der Schweiz NASZA GAZETKA und wurde deren Redaktor. Er war langjähriger Präsident des Vereins DOM POLSKI in Zürich. Ihm verdankt man die Entstehung dieses polnischen Kulturhauses in Zürich Seebach. Seit der Neuentstehung des Polenmuseums 1975 war er freiwilliger ehrenamtlicher Helfer bei vielen Ausstellungen, von denen zwei seinem eigenen Oeuvre gewidmet waren. Als Anerkennung für seine kulturellen Leistungen wurde ihm 1992 von der Polnischen Kulturstiftung Libertas in Rapperswil der Julian-Godlewski-Preis und von der Republik Polen das Offizierskreuz des Ordens Polonia Restituta zuerkannt.

Einmal unternahm ich mit Janusz eine Wanderung von unserem Haus am Föhrliweg über den Föhrlibuck, das Glattzentrum und die Herzogenmühle bis nach Aubrugg zu T. Wojnarski am Wiesengrund 112. In der Wohnstube der Familie gab ein buntes Allerlei Zeugnis von den vielfältigen Tätigkeiten unseres Freundes. Neben wenigen eigenen (Kopien nach EL Greco) hingen auch ältere Bilder, die er als ausgebildeter Restaurator hergerichtet hatte. Selbstgemachte Marionetten erinnerten an die Zeit in Spanien, wo er mit seinem Puppentheater seine fünfköpfige Familie ernährte. Weisse Papierfaltarbeiten stammten aus den Migroskursen, wo er mit Schülern Handwerkliches erarbeitete3. Im Zentrum beeindruckte mich die Skulptur einer spanischen barocken Muttergottes mit Kind. Wir wurden aufs liebenswürdigste von Ewa Wojnarska bewirtet und nachdem alles über ein Projekt für das PMR (Polenmuseum Rapperswil) besprochen war, machten wir uns wieder auf den Heimweg nach Dübendorf.

Mein Mann hatte mit seinem rastlosen Einsatz für das Museum T. Wojnarski sofort mitgerissen und durfte jederzeit auf dessen Hilfe bei der Ausstattung rechnen. Vor allem wurde uns Tadeusz in der Stube mit polnischer Volkskunst unersetzlich. Er schaffte Puppen herbei, denen er je nach Tracht den verwegenen Ausdruck eines Góralen (Bergler) oder die milden Gesichtszüge einer Krakowianka verpasste. Er ist uns so für viele Jahre ganz unentbehrlich geworden. Das Polenmuseum verfügt in seinen Sammlungen leider nur über ein einziges Ölbild von Tadeusz Wojnarski, nämlich das Porträt von Julian Godlewski gemalt um 1975.

Einmal habe ich unseren lieben Freund ganz aus dem Konzept gebracht:

Seit langem schon beschäftigte mich ein Zweizeiler aus einem Gedicht von K.I. Gałczyński („Liryka, liryka, tkliwa dynamika», 1946):

Ja jestem Polak,
a Polak jest wariat,
a wariat to lepszy go
ść!

Ich bin ein Pole,
und ein Pole ist verrückt,
doch ein Verrückter ist ein besserer Kerl!

Es war für mich die Möglichkeit, auf scherzhafte Art meiner (im Grunde tiefen) Verzweiflung Ausdruck zu geben darüber, dass neben der Berufstätigkeit für meinen Mann nur noch das Museum im Zentrum seines Denkens stand.

Vielleicht war diese Ausschliesslichkeit notwendig, ein so grosses Projekt zu verwirklichen, sie lag aber ganz sicher ausserhalb jeder Normalität. Er kannte für sich selbst und leider auch für seine Angehörigen keine Schonung. Diese Ausschliesslichkeit und der totale Einsatz für das „polnische Rapperswil» waren der Preis, den seine Familie bezahlen musste. Aus Zeitmangel hatten wir auch alle Freundschaften aufgegeben, unser Freund konnte nur sein, wer freiwillig im PMR mitwirkte. Gałczyński in Polen konnte seinerzeit nicht wissen, in welch hohem Masse sein Spruch jahrzehntelang auf einen polnischen Emigranten in der Schweiz zutraf4. Während der unaufhaltsamen, glänzenden Erfolgsgeschichte des neu entstehenden PMR und der Sammlung eines Ensembles dazugehörender Liegenschaften vergass Janusz5 ganz seine familiäre Lebensaufgabe. Es blieb derweil mir überlassen, den eklatanten Mangel auszugleichen und den Spagat zu bewältigen zwischen den Kindern, die ihrem Vater ganz aus dem Blickfeld geraten waren, Haus und Garten, vielen polnischen Gästen (bei meinem bescheidenen Haushaltsgeld) und meiner eigenen Mitwirkung am Museum. Trotz meinem vollständigen Einsatz in jeglichem Arbeitsbereich wurde mir mit der Zeit schmerzlich klar, dass es mir allein nicht möglich war, den verschiedenen Anforderungen gerecht zu werden. Es gab niemanden mehr, der die vitalen Eigeninteressen unserer Familie wahrnahm. Wir waren auf Dauer unwiderruflich preisgegeben an eine idealisierte Welt der Vergangenheit und unsere Kinder mussten sich aus dieser polnischen Wunderwelt heraus alleine zurechtfinden in der real existierenden Schweiz.

Meinen Mann verband mit T. Wojnarski eine ungebremste Rastlosigkeit. Beide schöpften aus dem Emigrantenschicksal das tiefe Gefühl der Verpflichtung, für die polnische Gemeinschaft nützlich sein zu müssen und auf kulturellem Gebiet etwas zu leisten. Als er einmal in unserem Haus weilte, sagte ich ihm bei einer entsprechenden Gelegenheit spontan den Zweizeiler von Gałczyński. Nach anfänglicher Konsternation konnte ich Tadziu6 nach dem lupenreinen polnischen Quellennachweis beruhigen, dass der Vers nicht meine Erfindung ist, sondern vom Meister K.I. Gałczyński persönlich stammt.

Tadeusz hatte etwas von einem liebenswerten Don Quichotte an sich mit dem wesentlichen Unterschied, dass er in der Praxis vieles zuwege brachte, was man dem Ritter von La Mancha nicht zubilligen würde. Anlässlich seines Todes im August 1999 verfasste Janusz in Tadeusz’s Polenzeitung in der Schweiz folgenden Nachruf7:

Był on człowiekiem niecodziennym, pełnym planów, pomysłów i nieustającej aktywności. Wszystko co czynił robil z sercem i dużym zaangażowaniem. Dlatego chyba tyle przedsięwzięć udawało mu się zrealizować. Jego sukcesy zaskakiwały niejednego, bo był przecież typowym artystą, a nie menadżerem czy człowiekiem pieniądza.«

(«Er war ein ungewöhnlicher Mensch, voller Pläne, Ideen und von unaufhörlicher Aktivität. Alles, was er unternahm, tat er mit Herz und grossem Engagement. Wahrscheinlich deshalb gelang es ihm, so viele Unternehmungen zu verwirklichen. Seine Erfolge haben so manchen überrascht, war er doch ein typischer Künstler und kein Manager oder Finanzier.» Übersetzung L. Morkowska)


 

Lucia Morkowski

Geboren in Kempten verbrachte die Autorin ihre Schulzeit in Kaufbeuren. Nach Studienjahren in München war sie an Gymnasien in Aschaffenburg, Bad Godesberg und Köln tätig. Seit 1964 lebt sie mit ihrer Familie in der Schweiz.

Sie lernte die polnische Sprache, Geschichte und Kunst kennen und unterstützte tatkräftig ihren Mann, Jahrzehnte lang beim Aufbau des Polenmuseums auf Schloss Rapperswil am Zürichsee.

Nach 1991 besuchte die Autorin mehrfach die bedeutenden Kulturstätten und landschaftlichen Sehenswürdigkeiten Polens.


 

Fussnoten

1 In diesem Abschnitt gibt es einige Ungenauigkeiten und Fehler. TW wurde in den nördlichen Ural verschleppt, Während der meisten Kämpfe in Italien war er Unteroffizier, wurde aber kurz vor der Schlacht um Bologna (1945) zum Offizier befördert. Er erhielt das Tapferkeitskreuz für seine Verdienste um die Schlacht von Bologna. Sehe auch https://wojnarskiartysta.art/04-0-de/ – tw jun.

2 Die richtige Adresse lautete: Opfikonstrasse 158 in Zürich-Auzelg – tw jun.

3 Richtig ist: Die Papierplastiken stammten hauptsächlich aus seiner Arbeit als Dekorateur bei der Migros, wo er seit seiner Einreise in die Schweiz bis zum Beginn seiner Arbeit als Zeichnungslehrer arbeitete. – tw jun.

4 Als Sohn von Tadeusz Wojnarski kann ich bestätigen, dass diese Worte auch auf ihn zutrafen – tw jun.

5 Janusz Morkowski, Ehemann von Łucja Morkowska. Er war ab 1973 die treibende Kraft, das Polenmuseum in Rapperswil wieder auferstehen zu lassen. Es wurde 1975 eröffnet, er wurde sein erster Direktor. – tw jun.

6 Tadzik / Tadzio /Tadziu – familiär für Tadeusz – tw jun.

7 NASZA GAZETKA Zürich, 1999, Jahrgang 26, Nr. 5 (206)

Wszystkie prawa zastrzeżone dla – Alle Rechte vorbehalten für –  All rights reserved by
Tadeusz Wojnarski 2020-2025

Webdesign:   S P E C T A R 
Odpowiedyialność – Verantwortung – Responsibility:
Tadeusz Wojnarski (jun.)

Tadeusz Wojnarski
Heidenbüelstrassse 19
CH-8352 Räterschen (Elsau) 
Schweiz – Szwajcarja – Switzerland
Tel: 0041 52 363 13 09
Mobile: 0041 78 403 86 36
E-mail: wtadeusz(at)bluewin.ch

Wszystkie prawa zastrzeżone dla – Alle Rechte vorbehalten für –  All rights reserved by
Tadeusz Wojnarski 2020-2021

Webdesign:   S P E C T A R 
Odpowiedyialność – Verantwortung – Responsibility:
Tadeusz Wojnarski (jun.)